Das Fach Geographie ist stark von sichtbaren Phänomenen geprägt und abhängig, so dass von einer Hegemonie des Visuellen gesprochen werden kann. Im Fotowettbewerb findet dieser Bezug zwischen Bildlichkeit und Geographie Beachtung.
Studierenden wird alljährlich Gelegenheit geboten, geographische Sachverhalte nicht nur theoretisch zu analysieren, sondern diesen zudem in lebensweltlichen Bezügen fotografisch nachzuspüren.
Thema 2022: "Licht & Schatten"
Licht ist elementarer Bestandteil der Fotografie – in ästhetischer wie technischer Hinsicht. Über die drei Variablen der Blendenweite, der Belichtungszeit und Lichtempfindlichkeit wird letztlich bestimmt, wie viel Licht abgebildet wird, um die gewünschte Bildgestaltung zu erreichen. Einer der wichtigsten Aspekte hierbei ist das Wechselspiel von Licht und Schatten. Ist ihre Differenz zu groß, bringt das so manche Kamera an die Leistungsgrenze.
Aber nicht nur in der Fotografie, sondern auch bei der Betrachtung geographischer Phänomene gilt: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Klimatische, gesellschaftliche und räumliche Veränderungen weisen häufig sowohl Licht- als auch Schattenseiten auf. Was ist sichtbar gemacht, was bleibt der Betrachtung verborgen? Wer findet sich eigentlich auf der "Schattenseite des Lebens" wieder? Auch wenn Licht und Schatten als Gegensätze bezeichnet werden können, wirken sie dennoch in einem Zusammenspiel miteinander.
Hier nun die diesjährigen Preisträger:
Jonas Höhn | 1. Platz | Gólya

Die Geschichte des „Gólya“ geht weit zurück. In den 1880er Jahren als Bar erbaut, entwickelte es sich über Jahrzehnte zu einem integralen Bestandteil von Józsefváros in Budapest. Das klassische Arbeiterviertel entwickelte sich nach dem Zerfall des Staatssozialismus im Jahr 1989 aufgrund von massiver Arbeitslosigkeit und Sparmaßnahmen zu einem stigmatisierten, nahezu isolierten Ghetto mit extremer Armut.
Infolgedessen initiierte eine öffentlich-private Partnerschaft aus der Bezirksverwaltung und einem Privatunternehmen Mitte der 2000er Jahre ein millionenschweres Entwicklungsprojekt zur Sanierung des Viertels. Neben einem Einkaufszentrum entstanden dort teure Wohn- und Bürogebäude, während die alten Gebäude und ihre Bewohner*innen weichen mussten.
Durch die schlagartige Gentrifizierung des Viertels verlor auch das Gólya seine Bedeutung und steht heute – geschlossen und auf den Abriss wartend – als eines der letzten verbliebenen Gebäude im Schatten der Bürohochhäuser und Luxuswohnungen.
Clara Gutjahr | 2. Platz | Die Ewigkeit des Modells – Gropius abgelichtet

Betritt man die Räumlichkeiten der Bauhaus-Schule in Dessau, wirkt es, als wandelte man durch ein Modell. Die klaren Linien, reduzierte Architektur und Ausstattung, gepaart mit der musealen Leere des Ortes, lassen viel Raum für das Sonnenlicht, welches durch die stahlumrahmten Fenster hineinfällt. Ich besuchte das Bauhaus 2017, ausgestattet mit meiner analogen Kamera, deren mechanisches Klickgeräusch in den leeren Ateliers fast ein Affront gegen die von Metall, Glas und Beton ausgehende Ruhe und Ewigkeit der Räume war.
Das lichtdurchflutete Atelier im ersten Stock stand so sehr für sich, dass ich als Betrachterin fast das Gefühl hatte, die Komposition zu stören, die der Architekt Walter Gropius vor gut 100 Jahren erdachte. Es beschlich mich das Gefühl im Raum aufgehen und meinen eigenen Schatten verlieren zu müssen, um die ruhige und ewige Atmosphäre nicht anzurühren. Jede Linie im Sucher der Kamera erschien mir genau so, wie sie entworfen wurde: die Realität exakter als das Modell.
Nina Kruse | 3. Platz | Der Bote

Der Sommer 2022 war der heißeste in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen. Dies hatte in Deutschland nicht nur Auswirkungen auf die Natur, in Form von Waldbränden und Niedrigwasser, sondern betraf auch uns Menschen vehement. Im Juli kam es zu tausenden Hitzetoden und einer deutlichen Übersterblichkeit.
Der Schatten des Raben sowie die Umrisse des Baumes, welche einer Sichel ähneln, symbolisieren die düsteren Auswirkungen des Klimawandels und den bevorstehenden Tod. Dabei heben sich ihre Umrisse vom wolkenlosen Himmel ab und verdeutlichen den Kontrast von Licht und Schatten.
In der Mythologie steht das Symbol des Raben ebenfalls für Weisheit und signalisiert die Zeit innezuhalten, um über Geschehenes nachzudenken. In Anbetracht stetiger klimatischer und gesellschaftlicher Veränderungen ist es unabdingbar dieser Botschaft nachzukommen.